«Bahn frei!» für das Jubiläumstheater
«Bahn frei!» erzählt humorvoll, detailgetreu und mit viel Musik Geschichten aus 150 Jahren Appenzeller Verkehrshistorie. Und das in den ehemaligen Bahnwerkstatt in Gais, wo viele Spielende auftreten und aufwändige Requisiten ins Scheinwerferlicht rollen werden.
Die Aufführungen finden vom 23. August bis 20. September 2025 in Gais statt.
Tickets sind ab Juni 2025 erhältlich.
Zum Inhalt
Die Appenzeller Bahnen feiern ihr 150-Jahr-Jubiläum. Zu diesem Anlass haben sich zwei Heilige zusammengefunden: Barbara, die Schutzheilige der Bergleute und (Eisenbahn-) Tunnel-Bauer, sowie Exuperius, einer der Schutzheiligen Appenzells. Sie führen das anwesende Theater-Publikum durch die 15 ereignisreichen Jahrzehnte der Appenzeller Bahngeschichte und wählen dafür fünf Zeitabschnitte aus, die sich jeweils wie dreidimensionale bewegte Bilder präsentieren. Zuerst geht es zurück zum Bau der ersten Gleiskilometer von Winkeln nach Herisau, dann erlebt man die Einweihung des Bahnhofs Appenzell mit, für dessen Bau man auch Land des Frauenklosters benötigte. Im dritten Bild befindet man sich im Jahr 1914, als die Bahn schon im Alltag nahe war. Genauso wie 1947, als man sich mit der Säntisbahn zusammenschloss und grosse Ausbau-Pläne hatte. Im fünften Bild kehrt man schliesslich in die Gegenwart zurück und zeigt, wie sich die Appenzeller Bahnen heute präsentieren. Zusammengehalten werden all diese Szenen nicht nur durch die beiden Schutzheiligen, sondern auch durch die Familie Inauen. Durch all die Jahre hindurch sind es deren Mitglieder, die beruflich und emotional mit der Appenzeller Bahn verbunden sind und deren Entwicklung hautnah miterleben.
Die Theatergesellschaft Appenzell

Die Theatergesellschaft Appenzell bringt seit vielen Jahren mit Leidenschaft und Kreativität die Bretter, die die Welt bedeuten, zum Leben. Mit viel Herzblut und Talent studiert die engagierte Gruppe alle zwei - drei Jahre ein neues Stück ein – und in diesem Jahr dürfen wir uns mit dem Stück «Bahn frei!» auf eine ganz besondere Aufführung freuen! Zweck des Vereins ist die Praktizierung und Förderung des Theaterspielens und der Appenzellischen Kulturpflege. Nebst der deutschen Sprache spielt auch die Pflege des Appenzeller Dialekts eine wichtige Rolle. Laienschauspielerinnen und Laienschauspieler aus der Region Appenzell engagieren sich zusammen mit Regisseuren, Musikern, Kostümbildnerinnen und Bühnentechnikern ausschliesslich in freizeitlicher Tätigkeit.
Der Autor: Paul Steinmann

Paul Steinmann, geboren 1956 in Villmergen, ist ein Schweizer Theaterautor und Regisseur. Er schreibt und inszeniert für Amateurbühnen, Kinder- und Jugendtheater, Stadttheater, Kabarett sowie freie Theatertruppen. Zudem leitet er Schreibwerkstätten, war Co-Drehbuchautor des Films «Cannabis – Probieren geht über Regieren» und verfasste das Buch zum Musical «Die Schweizermacher«. Seit 2008 ist er mit seinen «Morgengeschichten» regelmässig auf Schweizer Radio SRF 1 zu hören.
Zu seinen Werken zählen unter anderem «Der Dreizehnte Ort», ein Freilichtspiel zum Jubiläum «500 Jahre AI/AR“ in Hundwil, sowie das Stationentheater «Kloster zu verschenken», das die Geschichte des Dominikanerordens an verschiedenen historischen Wirkstätten erzählt. Mit dem Klostertheater «Bilder putzen» würdigte er das 400-jährige Wirken der Kapuziner in Appenzell.
Der Regisseur: Jean Grädel

Jean Grädel, geboren am 8. Juni 1943 in Hefenhausen TG, wuchs in einer Lehrerfamilie auf und absolvierte seine Ausbildung zum Primarlehrer am Lehrerseminar in Kreuzlingen. Nach seiner Tätigkeit als Primarlehrer studierte er Germanistik und Psychologie an der Universität Zürich. Bereits während dieser Zeit leitete er die Studententheater in Konstanz/Kreuzlingen und Zürich. Ab 1968 arbeitete Grädel als freier Regisseur und inszenierte zahlreiche Theaterstücke.
2005 führte er mit grossem Erfolg Regie beim Festspiel «Ueli Rotach» in Appenzell. 2017 brachte er die Komödie «Tschingge» auf die Kollegibühne, 2019 das Klostertheater «Bilder putzen» in der Kapuzinerkirche Appenzell. 2022 inszenierte er das viel beachtete Theaterstück «Morsch» in der Alten Bleiche Appenzell. Für sein Schaffen wurde Jean Grädel 2007 mit dem Thurgauer Kulturpreis ausgezeichnet. Jean Grädel zählt zu den erfahrensten Regisseuren der Schweiz. Seine Arbeit zeichnet sich durch hohe Fachkompetenz, Kreativität und Menschlichkeit aus.
Ein Blick hinter die Kulissen

Die Theatergesellschaft Appenzell steckt mitten in einem Grossprojekt. Für die Darstellung wichtiger Momente in der 150-jährigen Geschichte der Appenzeller Bahnen werden in der Werkstatt Gais ab August 2025 historische Bahnwagen auf die Bühne rollen.
Im eigens für das Jubiläum geschriebenen Stück «Bahn frei!» sollen auch die Kostüme stimmen. Darum ging es bei einem Treffen im Urnäscher Bahnarchiv. Regisseur Jean Grädel hat nachmittags mehrere Castings durchgeführt. Und an diesem Abend ist er mit einer Handvoll Theaterleuten im Requisiten- und Kleiderarchiv der Appenzeller Bahnen in Urnäsch verabredet. Denn für das Bühnenstück, das zu unterschiedlichen Zeiten an verschiedenen Orten spielt, sollen 70 Männer und Frauen die passenden Kleider tragen. Das ist wichtig fürs Veranschaulichen historischer Momente in der Entwicklung der Appenzeller Bahnen. Die gespielten Szenen sind in fiktive Geschichten verpackt, die sich aber stark an den damaligen Realitäten orientieren. Das Drehbuch von Paul Steinmann mit den Dialogen steht noch unter Verschluss. Aber, so viel verrät Regisseur und Mitautor Grädel: «Zu Beginn hatten nicht alle Freude an einer Bahn, die zum Beispiel den Säumern die Arbeit wegzunehmen drohte.» Für diese Protestszene werden im Depot Gais echte Maultiere die Bühne betreten.
Blaugestreifte Lokführer
Ernst Naef, pensionierter Bahnangestellter, öffnet die Tür zum Archiv des Bahnmuseums in Urnäsch. Im Keller mit mehreren Räumen liegt ein immenser Fundus von Gegenständen aus vergangenen Zeiten: eine Schachtel mit Signalpfeifen, eine grün-weisse Abfertigungskelle, die einst der Bahnhofvorstand schwenkte, die zerbeulte Ledertasche eines Kondukteurs, eine wuchtige, schwere Münzsortierkasse, kolossale Scheinwerfer, mit denen Baustellen beleuchtet wurden. Kostümbildnerin Priska Lämmler inspiziert den Kleiderständer mit den sauber sortierten Uniformen. Einige sind noch ungetragen in Plastik geschweisst. Ein Zweiteiler sorgt bei den Anwesenden für Ratlosigkeit. Archivar Ernst Naef kommentiert amüsiert: «In diesem blaugestreiften Anzug arbeiteten die Lokführer.» Ungläubige Blicke in der Runde. Doch der ehemalige Bahnangestellte ist sich sicher: «Das war das Arbeitsgewand, das im Führerstand getragen wurde.» Nun hat Regisseur Jean Grädel eine pragmatische Frage: «Müssen die Kostüme nach den Aufführungen alle gewaschen werden?» Priska Lämmler nickt. Die chemische Reinigung zum Schluss macht ihr keine Sorgen. Vielmehr steht sie aktuell vor der riesigen Aufgabe, über hundert Kleidungsstücke abzuändern, sodass sie den Darstellenden passen. Zur Mode der unterschiedlichen Epochen recherchiert sie in historischen Büchern aus dem Appenzellerland.
Planung ist alles
Beim Aussuchen von Kostümen und Requisiten an diesem Abend ist die positive Aufregung der Theaterleute spürbar. Mit von der Partie im Archiv in Urnäsch ist Albert Koller, Präsident der Theatergesellschaft Appenzell, die das Theaterprojekt verwirklicht: «Es ist uns eine Ehre. Denn die Bedeutung der Bahn für unsere Region ist gross. Und darum haben wir uns an das grosse Projekt gewagt.» Bei diesem Treffen im Requisitenlager wird deutlich, dass es tausend Detailfragen gibt, die alle in den nächsten Monaten geklärt werden wollen. Und dabei laufen die Vorbereitungen schon seit über einem Jahr. Jean Grädel hat viel Erfahrung mit komplexen Produktionen. Er will nichts dem Zufall überlassen. Die Termine für sämtliche Proben legt er lange im Voraus fest: «Erst eine exakte Vorbereitung schafft kreative Freiheit.» Ein Glücksfall ist für ihn der Aufführungsort. Denn die 13 geplanten Vorstellungen können in der Werkstatt Gais stattfinden, welches demnächst geräumt und nach Appenzell gezügelt wird. «Diesem Umstand und zeitlichen Zufall verdanken wir den perfekten und authentischen Schauplatz.» Authentisch ist auch die Dramaturgie des Stücks, mit der Aussage, dass sich ein Teil der Appenzeller Bevölkerung vor 150 Jahren nicht für die neue Bahn begeistern konnte, weil der Verlust von Arbeit befürchtet wurde. «Aber in unserer Geschichte merken geschäftstüchtige Säumer auch bald, dass sie das Gepäck der Touristen mit ihren Maultieren vom Bahnhof ans gewünschte Ziel transportieren können.» Auch spätere Ereignisse in der Entwicklung der Appenzeller Bahnen werden auf der Bühne thematisiert, so etwa der Geschäftseinbruch aufgrund von Weltkriegen und, als grosser Meilenstein, die Elektrifizierung der Bahn.